... war ich, als ich Ellenbergdesign in Berlin (Pankow) besuchte. An einem verregneten Dienstag erreichte ich in meinem Bus sicher mein neues Ziel. Doch entgegen meiner freudigen Erwartung befreite mich Claudia, Ellenbergdesign in Person, nicht aus meiner Verpackung, weil der Akku ihrer Kamera nicht aufgeladen war. Na gut – machte ich es mir also in meinem Gefährt bequem und wartete den mir würdigen Empfang ab. Am nächsten Vormittag war es dann so weit. Ich hörte, wie die kleine Tochter von Claudia das Papier wegriss, dabei freudig aufgeregt plapperte und es kaum erwarten konnte, mich zu sehen.
Über mich hatte Margarete zu meinem Schutz lauter Folien gestopft, noch Süßes und einen Kartengruß beigelegt, welche Claudia und Motte noch ausgiebig bestaunten und befreuten. Endlich holte mich die Kleine aus meiner geliebten grünen Tasche und freute sich riesig über ihr "Geschenk". Nein, Halt, ich bin kein Geschenk! Ich will weiterreisen, die Welt bestaunen und andere Filzerinnen besuchen! Ein Glück verstand Claudia meine Ängste und erklärte der Lütten, dass ich eine Wanderente bin.
Als erstes durfte ich das Kinderzimmer kennenlernen, lernte so viele neue Tiere kennen, dass ich mir all die Namen nicht merken konnte. Da ging es mir nicht anders als meiner kleinen Gastgeberin, die mich meistens "Logo" oder "Wie heißt die nochmal?" nannte. Aber die kleine Fee kümmerte sich rührend um mich, war ganz vorsichtig und umsichtig, bettete mich in ihrer Höhle, trug mich immer rum und nachts durfte ich neben ihrem Bett auf einem riesigen Kuschelbären schlafen. Auch die anderen Tage hatten wir beide viel Spaß miteinander. Immer wieder musste ich ins Bett, um mich von meiner "langen Reise" (Thüringer Wald – Berlin!) zu erholen, aber ich tat der Kleinen den Gefallen und spielte mit. Schön kuschelig war es schließlich immer. Und so ein bisschen faul rumzuliegen, gefällt mir woanders eigentlich auch ganz gut.
Am Samstag ging Claudia dann endlich filzen und nahm mich in ihr Atelier mit. Das befindet sich in einem häßlichen, alten Gebäude, das in jedem Winkel von vergangenen Tagen und Zeiten erzählt. Claudia wusste zu berichten, dass zu DDR-Zeiten die Intrac (Handelsgesellschaft mbH) das Gebäude nutzte. Diese Firma hat damals richtig fett Devisen für die DDR beschafft. In der Ausstattung schlug sich das zumindest aus heutiger Sicht nicht nieder, auch wenn mich der Fußbodenbelag in den Fluren schwer beeindruckt hat. Ich wusste nicht so recht, ob ich den total scheußlich oder schon wieder gut finden sollte. Die zweite Etage fand ich ehrlich gesagt ziemlich gruselig. Umso überraschter war ich, dass Claudias Raum dann doch recht hell und freundlich ist.
Claudia entschuldigte sich gleich, dass es nicht aufgeräumt sei. Dazu fehle ihr gerade die Zeit, denn eigentlich mag sie es in ihrem Werkraum immer ganz ordentlich, weil sie wohl beim Filzen immer sehr chaotisch arbeitet. Dann wird die Wolle auf dem Boden ausgebreitet, abgezupfte Reste wirft sie vom Tisch mit runter. Und auf dem Tisch sammelt sich wohl im Laufe des Filzens immer mehr Werkzeug an, das jeweils im Radius ihrer Armweite vom Filzobjekt entfernt abgelegt wird. Mir war das sowieso egal, ich schaute mich erst einmal gründlich um.
Den freien Blick aus dem Fenster mochte ich sehr.
Zuerst inspizierte ich die Regale. Viele Kisten und Gläser stehen da. In einigen sind Filzbroschen, natürlich farblich sortiert, in anderen Glasmurmeln, Magnete, Perlen oder Haarspangen. Körbe mit überquellenden Stickgarnen finden sich, Glitzerfäden, Vorfilze, Straußenfedern, Werkzeuge – ein kleines großes Sammelsorium an Material und Werkzeug, das dann auch noch penibel angeordnet wird. Genau genommen sind diese Dinge eine Sammlung ihrer Ideen, denn sie filzt immer viel langsamer und seltener als ihr Kopf solche ausspuckt. Aber sie liebt es, Material zu kaufen. Und sind die Hände endlich soweit, dass sie das Erdachte herstellen könnten, spukt schon wieder Neues in ihrem Hirn herum und neue Dinge müssen besorgt, gekauft und hübsch angeordnet werden. Das inspiriert sie, sagt Claudia. Ich finde das ja ein wenig zwanghaft, aber schön sieht es aus. Natürlich liegt auch Fertiges in den Regalen – Schals, Flaschenhüllen, Flaschenhüte und ein kleines Schaf. Ach nein, das sitzt.
Ich entdeckte zwei weitere Figuren. Claudia erklärte mir, dass sie die Namenlosen mal als Halloweendekoration für einen Buchladen herstellte, die beiden aber inzwischen zu einer Art Maskotchen mutierten, die ihr Atelier hüten und für ein gutes Raumklima sorgten. Nicht, dass Claudia sich damit auskennen würde, aber gerade, wenn sie mal abends oder nachts filzen muss und sich das am Tage sie inspirierende Gebäude zu einem gruseligen verwandelt, schätzt sie ihre Gegenwart sehr.
Und schließlich standen noch zwei große Kisten in einem Regal. In der einen lagert Claudia das Schablonenmaterial, in der anderen ihre Handpuppen. Endlich, da waren sie. Auf diese war ich so gespannt. Ich wollte unbedingt ein Erinnerungsfoto mit ihnen machen. Nach fünf Versuchen war endlich das Gruppenbild mit Mogo im Kasten.
Claudia zeigte mir auch noch eine angefangene Puppe. Die CE-Kennzeichnugspflicht ließ ihre Motivation, diese weiterzuarbeiten, auf Null sinken. Oh je - so lange liegen hier schon die vielen Zähne herum... Naja, und jetzt, da sie etwas klarer sieht, lässt ihr das Private keine Zeit zum Filzen. Oh, dachte ich, jetzt fängt sie an zu jammern. Aber nein, sie erklärte mir dann doch, wie sie ihre Puppen filzt. Das Ganze sah mir sehr aufwendig aus, aber ich weiß ja von Era, wie langwierig und zeitintensiv das Figurenfilzen ist.
Nach der langen Erkundung, zahlreichen Fragen, vielem Zeigen und Erklären fing Claudia doch noch an zu filzen. Sie hatte sich zwei Flaschenhüllen vorgenommen. Während des Filzens war Claudia nicht gerade gesprächsbereit, also schaute ich zu und hielt meinen Schnabel. Mein Gott, zerrt und zottelt sie an dem Filz herum. So ein kleines, schlichtes Ding braucht ja ewig. Und das Penible aus den Regalen tauchte auch wieder auf als Claudia mit Minischere den Halsausschnitt beschnitt. Und immer wieder brabbelte sie vor sich: "Ach. Mist. Naja, ist eben Handarbeit." Ich jedenfalls war mit dem Ergebnis zufrieden. Claudia auch.
Dann ging es endlich zurück...
... in Claudias Wohnung, in der ich Claudia am Sonntag auch noch ein wenig half und bald weiter nach Altshausen.